Dorpater jahrbucher fur literatur, statistik und kunst
besonders Russlands,
herausgegeben von Profess. Dr. Blum, Dr. Bunge, Dr. Goebel, Dr. Neue, Dr. Struve,
v.d.Borg, Dr. Fridlaender, Dr. Kruse, Dr. Rathke, Dr. Walter. 1833. 1
ч, стр.
509—514.
Russische schöne Literatur.
Стихотворения Н. Языкова, d. i. Gedichte von N. Jasykow. St. Petersburg 1833.
Mit deni Motto von Goethe.
Wer das Dichten will verstehen,
Muss in's Land der Dichtung gehen;
Wer den
Dichter will verstehen,
Muss in Dichters Lande gehen. |
Wenn wir, bei den neuesten poetischen Produkten mancher Nationen, nur zu oft
veranlasst werden, mit schmerzlichem Gefühle von der Gegenwart ZVL einer
schöneren Yergangenheit zurückzuschauen: so gewährt es dagegen eine besondere
Erquickung, bei einer in frischer Jugend aufkeimenden Literatur zu verweilen,
welche ihre Blüthenzeit erst erwartet, diese jedoch bereits ahnden lässt. Es
ergreift uns da ein ähnliches Gefühl, wie im Frühlinge, wo die Hofihung uns die
Schönheiten der Zukunft im verklärten Lichte vorführt, — während auch die
schönsten Tage des Herbstes unser Herz mit einer—wenn auch süssen — Wehmut
erfiülen. Noch mehr muss dies aber der Fall sein, wenn der einer jugendlichen
Literatur angehörende Dichter zugleich selbst ein jugendlicher ist: dann tritt
uns aus seinen Werken ein doppelter Frtihling entgegen, welcher die erheiternde
Wirkung auf unser Gemüth nicht verfehlen kann.
Referent gesteht, dass ihn ein solcher Frühlingsduft erfreuend aus den
vorliegenden Gedichten angeweht hat, welche für diese Jahrbücher noch ein
besonderes Interesse dadurch erhalten, dass der jugendliche Verf. derselben
einige Jahre der Dorpater Universität angehörte, und ihr seine höhere Bildung
verdankt. Auch sind diese Gedichte grösstentheils während seines Aufenthalts in
Dorpat entstanden, oder enthalten Erinnerungen an diesen Aufenthalt. Sie gehören
fast durchaus zur lyrischen Gattung, und zwar ist die Mehrzahl derselben, — wie
ja auch fast alle Volkslieder der nordischen Völker, besonders der Slawischen —
im elegischen Tone gehalten. Aber auch gesdlige und erotische Lieder sind nicht
ausgeschlossen, und einige derselbenvorzüglich gelungen. Ueherhaupt sind
Vaterland, Liebe, Freundschaft und das Beisammenlehen fröhlicher Jugend die
Gegenstände, hei denen unser Dichter am liebsten verweilt, und die er am
häufigsten zum Stoff seiner poetischen Ergüsse wählt. Fast alle seine Gedichte
sprechen durch eine gewisse Frische und Naivität der Empfindung an, und Bef.
wüsste in der That keines derselhen, das schlechthin verfehlt zu nennen wäre.
Ein besonderer Beiz liegt in seiner Sprache, die sich durch Neuheit, ja Eeckheit
des Ausdrucks, so wie seine Versification durch seltenen Wohllaut, auszeichnet.
Fügen wir nun noch hinzu, dass sich in diesen wohlklingenden Versen überall ein
edler Sinn und ein ftr alles Schöne und Grosse hegeistertes Gemüth aussprechen:
so werden wir genug gesagt haben, um diese Poesien allen denen zu empfehlen, die
dem Fortsehreiten der Russischen Literatur theilnehmend folgen.
Es hleibt nun noch übrig, aus den einzelnen Gedichten, welche diese Sammlung
enthält, diejenigen herauszuheben, welche uns vorzüglich angezogen haben, und
sodann, zum Beleg unseres Urtheils, ein Paar Proben nebst Deutschen
Nachbildungen mitzutheilen, bei denen wir jedoch im Voraus um Nachsicht bitten
müssen, da es uns wohl schwerlich gelungen sein dürfte, den Originalen,
namentlich in Beziehnng auf Wohllaut, auch nur nahe zu kommen.
Am gelungensten scheinen uns, wie wir schon oben angedeutet, die elegischen
Gedichte, 'namentlich die Elegien Th. I. S. 32,34,431; Моё уединение (meine
Einsamkeit,) S. 7; Чужбина (die Fremde), S. 13; Отъезд (die Abreise), S.126;
ferner die Balladen: Олег(Oleg), S. 81; Кудесники (der Zauberer), S. 98; und endlich das Abschiedslied S. 140. Doch
gestehen wir gern, dass hierbei viel von subjektiver Auffassung und Empfindung
abhängt, und wollen daher dem Urteil Anderer tiber den relativen Werth irgend
eines einzelnen Gedichtes hiermit keineswegs vorgegriffen haben.
Als Probe möge hier zuvörderst das vorerwähnte . elegische Gedicht (S. 13)
stehen, welches während des Aufenthalts unseres Dichters in Dorpat entstanden
ist, und in welchem eine wehmütige Erinnerung an die Heimat ; vorherrscht.
Die Fremde Wo die Wolga schimmernd wallet
Stolz an grünen Fluren hin,
Längs den Ufern widerhallet
Froher Schiffer Melodie'n;
Gleich dem Nil, dem Segenspender,
Reichthum den Gefilden theilt,
Dort sind meiner Heimath Länder,
Dorten meine Liebe weilt! Längst bin ich
von dir entwichen,
Unvergessliches Gebiet!
Unter fremden Himmelsstrichen,
Meiner Jugend Lenz verblüht.
Aber nicht im Sturm der Zeiten,
In des Lebens Lärm und Drang —
Nie entrauscht des Dichters Saiten
Ein der Heimath fremder Klang.
Du bist diesem Ort gewogen,
Freiheitsfreundinn, Muse, Du!
Legen rings Gestad' und Wogen
Unter Nebeln sich zur Ruh';
Geht, ein Schild vor Kampfes Toben,
Auf der goldne Mond so klar:
Mild begeißternd dann von oben,
Kine leichtbeschwingte Schaar,
In äther'scher Ruhe, steigen
Aus der Zauberei Revier
Träume nieder, und sie neigen
Trost verkündend sich zu mir;
Und vor meinem Blick belebt sich
Alter Tage Glanz und Lust;
Heller wird das Aug', es hebt sich
Süss erseufzend meine Brust!
Das bist du, o Heimath-Erde,
Wo das jnnge Leben mir
Fruhlingsblüthen einst bescheerte!
Schöne Fluren,—das seid ihr!
Wo mir jedes Tages Schimmer,
Wie ein lust'ger Traum entschwand,
Wo ein jeder Tag mich immer
Glücklich liess und glücklich fand!
Hügel, Wälder, Fluren, Schlüfte,
Und ihr üpp'gen Uferhöh'n,
Und ihr alten Hügelgrüfte,
Kühner Ahnen Mausoleen,—
Die, verschont vom Sturra der Zeiten,
Ihr als Siegeszeichen steht:
Euch, mit unverstellten Saiten,
Euch begrüsset der Poet!
In der Fremd' eu'r Sänger wallet,
Einsam in der Jugend Drang,
Lange, lange nicht erschallet
Ihm der Wolgafischer Sang.
Lange schweift er hin und wieder
Durch das ferne Land voll Harm:
Lange währt es, eh' er Lieder
Singt der Freunde frohem Schwarm.
Die du Göttergluth entzündest
In den Herzen immerdar,
Schmückend Blüthenkränze windest
In des jungen Sängers Haar,
Komm', o Muse du der Leier,
Freiheitfreundin, Lebens Gluck!
Rufe mir in Traumes Schleier
Die verlor'ne Zeit zurück!
Schön, o Muse der Gesänge,
Bist du, und so theuer mir;
Von der Leidenschaft Gedränge
Und der Welth flieh' ich zu dir.
Stolz auf deinem Antheil blick' ich;
Du bist's, die mein Leben schönt;
Und, bin früh' versäumt vom Glück ich,
Klag' ich nicht: mein Lied ertönt!
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Zum Schluss ein Liedchen (S. 135), seiner Kürze der Popularität wegen, die es
bereits erlangt hat:
Lied Die Flammen der Liebe, sie heben
Die Brust mir, an Wonne so reich:
Marie, die
Holde, soll leben,—
Ihr Ffisschen, ihr Händchen zugleich!
Wie Morgens
hellrosiges Prangen,
Wie schimmernder Schnee auf den Au'n,
Sind ihre
jungfräulichen Wangen,
Der Sammet des Busens zu schau'n.
Wie nächtlicher Sterne
Geflimmer,
Wie lockender Nachtigallsang —
Der Augen entzuckender Schimmer,
Der
Stimme bezaubernder Klang.
Beglückt, wer im Traum sie umschlossen,
Und träumend
sein Mädcheu sie nennt;
Beglückter, als Edens Genossen,
Ist der ihr gefällt, der
Student! |
C. v. d. Borg
1 - В СТАТЬЕ БОРГА УКАЗАНИЯ НА СТРАНИЦЫ ПОСТАВЛЕНЫ НАМИ НЕ ПО ИЗДАНИЮ 1833 ГОДА,
НО ПО НОВОМУ: ЧТО ПРИНЯТО ЗА ПРАВИЛО В ДРУГИХ СТАТЬЯХ
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